Jenaer Umwelttag 2023

Sonntag, 14. Mai 2023

Gestern fand im Rahmen des Kinder- und Familienfests auf der Rasenmühleninsel auch der Jenaer Umwelttag 2023 statt. Hier hatten sich das Klimanetz Jena und das Klimanotstandszentrum mit einem gemeinsamen Stand beteiligt.

Der Schwerpunkt in diesem Jahr lag auf dem Thema Migration, die durch die Klimakrise immer stärker angetrieben wird. Die politischen Reaktionen zum Beispiel in den USA und in Deutschland sind jedoch statt auf Entschärfung der Ursachen lediglich auf Abschottung gerichtet. Auf der Waage ist die Abstimmung zu der Frage zu sehen, ob man sich schon einmal Gedanken gemacht habe wohin man aus Jena angesichts einer möglichen Klima- oder Umweltkatastrophe selber fliehen wolle. Der Waage-Teller neigt sich auf dem Bild zur „Nein“-Seite – es gab jedoch auch viele Besucher, welche die Frage mit „Ja“ beantworteten und auf der unten erkennbaren Weltkarte mit einer Nadel ihr persönliches Fluchtziel kennzeichneten. Am Ende waren die meisten Nadeln im skandinavischen Raum verortet, so viele, dass der Platz dafür auf der Karte nicht mehr reichte. Ob die Besucher angesichts dieser Situation auch darüber nachgedacht haben, was wohl die Skandinavier dazu sagen würden …

Klimaaktionsplan – Jena klimaneutral spätestens ab 2035

Donnerstag, 23. Februar 2023

Im Juli 2021 beschloss der Jenaer Stadtrat, dass Jena bis 2035 klimaneutral werden soll. Zur Umsetzung dieses Beschlusses wurde das Klima-Büro target GmbH aus Hannover beauftragt, bis September 2022 einen Klimaaktionsplan zu erstellen. Darin soll ein Szenario einschließlich der erforderlichen Maßnahmen entwickelt werden, deren Umsetzung zur Klimaneutralität Jenas bis 2035 führt. Der erste Entwurf wurde im September 2022 vorgestellt, der endgültige Entwurf liegt mittlerweile vor und muss nun durch den Stadtrat beschlossen werden. Der Klimaaktionsplan kann auf der Website des Klimaentscheids Jena eingesehen werden. Wichtige ausgewählte Aspekte des Klimaaktionsplans sind nachfolgend dargestellt.

#1: Einberufung von Klima-Bürgerräten

Bürgerräte

Ein Bürger:innenrat ist eine zufällig ausgeloste Versammlung mit dem Ziel, alle Perspektiven auf ein Thema – in dem Fall Klimaschutz vor Ort – sichtbar zu machen. Auf Grundlage fundierter Information wird diskutiert. Der Prozess wird von neutraler Seite moderiert, die Ergebnisse genau festgehalten. Denn diese sollen die Grundlage für weitere Entscheidungen zum Thema werden. Echte Bürger:innenbeteiligung also! Das Konzept ist nicht neu: In Irland wurde damit sogar eine Verfassungsänderung vorbereitet. Auch in Deutschland tagte bereits 2021 ein Bürgerrat zum Thema Klimakrise. Der Klima-Aktionsplan sagt: „Ziel der Maßnahme ist es, eine Versammlung zufällig ausgeloster Bürger einzuberufen, die in ihrer Zusammensetzung ein möglichst gutes Abbild der Bevölkerung darstellen sollen. Bei der Auslosung müssen daher Kriterien wie Geschlecht, Alter, Bildung, Wohnort und Migrationshintergrund berücksichtigt werden. Die ausgelosten Bürger werden eingeladen, am Bürgerrat teilzunehmen. Die Arbeit […] muss durch die Bereitstellung von Fachinformation und wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. durch Fachvorträge zu Beginn) untermauert und von einer zielgerichteten Moderation begleitet werden. Das Ergebnis müssen gemeinsame Handlungsempfehlungen sein, die dann an den Stadtrat übergeben werden.“ (S. 26)

#2: Verbesserung der Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur

Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität

Der KAP baut hier auf dem Radentscheid auf: Auf dessen Initiative wird der „Radverkehrsplan 2035+“ erarbeitet. Zu wenig Beachtung findet aber bislang der Fußverkehr, der gerade in Jena große Bedeutung unter den Mobilitäts-formen hat. Kurze Wege brauchen keine Räder und Motoren. Der Klima-Aktionsplan sagt: „Um die Verkehrsteilnehmer zum Umstieg auf Rad- und Fußverkehr zu motivieren, bedarf es […] einer Verbesserung der vorhandenen Infrastruktur. Dadurch wird einerseits die Attraktivität des Rad- und Fußverkehrs gesteigert, andererseits tragen infrastrukturelle Verbesserungen auch zu einer erhöhten Verkehrssicherheit bei.“ Und: „Radfahrer und Fußgänger [müssen] bei der Verkehrsplanung prioritär behandelt werden.“ (S. 79)

#3: Offensive bei erneuerbaren Energien

erneuerbare Energien

Themenfeld: Klimaneutrale Energieversorgung

Wir brauchen Energie aus erneuerbaren Quellen, wenn wir Klimaneutralität wollen. Die Kapazitäten dafür sind auch in Jena da, selbst wenn es etwas eng ist im Saaletal. Gleich in mehreren Maßnahmen wird der Ausbau von Solarenergie festgeschrieben, wie auch die Prüfung von Windkraftanlagen. Um 2035 klimaneutral zu werden, beziffert der KAP den Bedarf von 36 ha für Freiflächen-Photovoltaik und 10 Windkraftanlagen (je 3 MW Leistung). Um die Potenziale der privaten Dächer besser auszuschöpfen, sollen die Hürden für Besitzer:innen unter anderem durch ein Pachtmodell klein wer-den: „Die Investition in die Anlage wird im Falle eines Pachtmodells nicht durch den Hauseigentümer getätigt, sondern durch die Stadtwerke. Die Stadtwerke als Investor verpachten die Anlage dann an die Hauseigentümer, die die Anlage betreiben und den Strom selbst nutzen können.“ (S. 117) Der KAP lässt nun zusätzlich zu den Flächen, die bereits auf ihre Eignung geprüft werden, auch Gebiete entlang der Saale sowie Autobahn- und Zug-trassen analysieren. Auch die Mitnutzung landwirtschaftlicher Flächen („Agri-PV“) ist vorgesehen. Klar ist aber auch: „Aufgrund des begrenzten Flächenangebots sollte die Stadt in diesem Zusammenhang auch unterstützend bei der Flächenermittlung im Umland tätig werden.“ (S. 115)

#4: Förderung klimafreundlicher Ernährung in städtischen Einrichtungen

klimafreundliche Ernährung

Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweise

Ernährung spielt eine gewichtige Rolle in der Klimabilanz. Nicht nur (aber auch!) aus tierethischen Gründen, sondern weil der Ressourcenverbrauch tierischer Nahrungsmittel an Landfläche, Wasser und Treibhausgasemissionen die Grenzen des Wachstums längst überschritten hat, braucht es hier einen Wandel. Doch nicht nur mehr Pflanzliches muss auf den Tisch, auch sollten wir (wieder) mehr Saisonalität und Regionalität wagen! Der Klima-Aktionsplan sagt hier: „Ausweitung des veganen/vegetarischen Angebots oder eine Reduktion des Angebots von tierischen Produkten“; „Insbesondere in den Schulen besteht die Möglichkeit der aktiven Teilhabe der Nutzergruppen (z. B. durch eine Einbindung von Schulköchen oder Arbeitsgemeinschaften mit den Schülern)“ (S. 121) Und der KAP greift eine Idee, die auch in Jena angekommen ist: Die eines Ernährungsrates. Wenn dich das Thema interessiert, melde dich gern bei der Mailingliste des „Stammtischs Nachhaltige Ernährungswende Jena“ an, aus dem heraus die Gründung eines Ernährungsrates diskutiert wird (einfach per mail an ernaehrungsstammtisch-jena-subscribe@lists.riseup.net)

#5: Nutzung von Flussthermie für einen Teil der Fernwärme

Flussthermie

Themenfeld: Klimaneutrale Energieversorgung

Bislang verbrennt im Burgauer Kraftwerk fossiles Erdgas für die Fernwärme der Stadt. Im KAP wird zusammenfassend kommentiert: „Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ist eine der wichtigsten Stellschrauben zur Erreichung der Klimaneutralität.“ Mit anderen Worten: Wir müssen weg vom Gas! Der KAP schlägt hier vorsichtig eine Variante vor, wie es gehen könnte: „Erste Untersuchungen zeigen, dass die […] Potenziale besonders hinsichtlich der Nutzung der Flussthermie der Saale mittels Wärmepumpen erheblich sind. Natur-, Umwelt- und Gewässerschutz bilden elementare Leitplanken der tatsächlichen Nutzung und bedürfen Untersuchungen im Rahmen entsprechender Genehmigungsverfahren.“ (S. 106) Tatsächlich handelt es sich bei Flussthermie um eine in Deutschland noch wenig etablierte Technik. Am 10. Februar 2023 kam bei NANO (3Sat) ein Beitrag, der sich mit genau dieser Frage befasste am Beispiel der Weißen Elster in Neumühle und in Gera. Hier ist der Link auf die Sendung. Der Beitrag zur Flusswärme läuft etwa von der Sendeminute 6 bis 13. Vielleicht wird Jena hier eine Vorreiterin – aber die gebotene Vorsicht macht es notwendig, auch andere Konzepte parallel zu erarbeiten, um auch sicher und bald den Abschied von einer geopolitisch und klimabezogen nicht mehr tragbaren Energieform feiern zu können.

#6: Finanzielle Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs

öffentlicher Nahverkehr

Themenfeld: Klima-neutrale Mobilität

Hier lautet die Hauptaussage im KAP: Öffentlicher Nahverkehr muss günstiger sein als die Nutzung des Autos! Wichtig ist aber ebenso, dass das Angebot an Öffis auch entsprechend ausgebaut wird, unter anderem durch:

  • Ausbau des Liniennetzes
  • Investition in Infrastruktur (z. B. Haltestellen)
  • Einbindung alternativer Bedienungsformen („on-demand“-Verkehre)
  • Clevere Verknüpfung verschiedener Verkehrsarten an Mobilitätsstationen (ÖPNV, Rad-, Fußverkehr, Car-Sharing)

Ohne Frage gehören zu den Anreizen für bessere ÖPNV-Nutzung im Gegenzug auch jene Faktoren, die den Autoverkehr zurückdrängen. Im engen Jena ist insbesondere der hohe Flächenbedarf parkender Autos (denn die Fahrzeuge sind in der aktuellen Nutzungsform zu einem übergroßen Teil der Zeit doch eher „Steh“zeuge) ist hierbei ein Faktor, der einer Verkehrswende und generell lebensnäherer Nutzung des Stadtraumes bisher im Wege steht. Hier soll gegengesteuert werden durch Verknappung der Stellplätze und Anpassung der Parkgebühren. Letztere sollen zukünftig mit der Preisentwicklung im ÖPNV gekoppelt werden, damit die Wahl für umweltfreundlichen Verkehr sich stets preislich auszahlt. (S. 74, 81) Nicht im KAP steht jedoch irgendeine Form von Verbot, auch werden Ausnahmeregelungen für Menschen mit Behinderungen sowie der Faktor Einkommensstärke für Vergünstigungen klar benannt, um keine soziale Ungleichheiten zu schaffen. Teilhabe und Zugang zur Innenstadt für alle wird es weiterhin geben!

#7: Klimaneutrale Gebäude und Quartiere

klimaneutrale Gebäude und Quartiere

Themenfeld: Klimaneutrale Gebäude und Quartiere

Thema Wärme: Wie wäre es, wenn wir davon einfach weniger brauchen, weil unsere Häuser sie „für sich“ behalten? Jena steht in Sachen energetischer Gebäudesanierung nicht schlecht da – aber für das ambitionierte Ziel, bis 2035 klima-neutral zu werden, müssen alle Potentiale ausgeschöpft werden. Eine ganze Palette von Maßnahmen im KAP soll dafür sorgen, dass im Gebäudebestand und auch in Neubauten so wenig wie möglich Energie „verheizt“ wird. Dazu sollen z. B. zehn Modellquartiere ausgewählt und saniert werden, die in Alter und Zustand jeweils homogen sind und sich dadurch gut für integrierte Lösungen eignen. (S. 37) Zudem soll es in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen eine aktive, kontinuierliche Beratungskampagne zum Thema energetische Sanierungen für Hausbesitzer:innen geben. Für neu errichtete Gebäude sollen Bauleitplanung und Mindeststandards angepasst werden: „Ziel dieser Maßnahme ist es, nur noch klimaneutrale Neubauten zu errichten, die den ökologischen Einfluss von Neubauten auf ein Minimum reduzieren.“ (S. 41)

#8: Reduktion der Lebensmittelverschwendung

keine Verschwendung von Lebensmitteln

Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweise

„Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden in Deutschland jährlich ca. 11 Millionen Tonnen an Lebensmitteln entsorgt. Neben der Art der Ernährung (regional, saisonal, ökologisch), nimmt diese Maßnahme daher eine wesentliche Rolle hinsichtlich einer klimafreundlichen Ernährung ein.“ (S. 122) Neben einer Öffentlichkeitskampagne soll laut KAP geprüft werden, ob Tausch- und Sharingzentren in der Stadt und den Stadtteilen aufgebaut werden können. Auch geprüft werden soll, wie der Einzelhandel und die Gastronomie zum Spenden überschüssiger Lebensmittel verpflichtet werden können. Auch die Unterstützung lokaler Initiativen wie Foodsharing und konkret eines Foodsharing-Cafés werden vorgeschlagen.

#9: Regionaler Ökostromtarif für Unternehmen

erneuerbare Energie

Themenfeld: Klimaneutrale Unternehmen

Die Wirtschaft spielt eine große Rolle in der Klimabilanz. Wie sich lokale Unternehmen aufstellen, liegt nur bedingt in der Befugnis der Stadt – hat aber einen wichtigen Effekt. Darum sind im Themenfeld auch vor allem indirekte Maßnahmen zu finden, z. B. das Einrichten einer Klima-Servicestelle für Unternehmen: „Um eine breite Wissensbasis zu schaffen, wie sich Unternehmen künftig aufstellen können, sollte der Fokus dieser Stelle auf Vernetzung und Wissenstransfer liegen.“ (S. 48) Sehr konkret ist hingegen der Vorschlag, einen eigenen Ökostromtarif auf den Weg zu bringen: „Der Tarif muss dabei so ausgestaltetet sein, dass z. B. durch einen Förderbeitrag, der auf den spezifischen Strompreis aufgeschlagen wird, Investitionen in regionale Erneuerbare-Energien-Anlagen getätigt werden.“ Ziel ist dabei, die Unternehmen „[…] auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen […].“ (S. 51)

#10: Optimierung der Stadt-Umland-Beziehungen

Beziehungen zum Umland

Themenfeld: Strategische Maßnahmen

Jena ist eng. Das ist nicht nur bei der notwendigen Verkehrswende eine Herausforderung, sondern auch bei der Bereitstellung grüner Energie. Für Solar- und Windkraft ist Fläche nötig! Der KAP betont hier: „Aufgrund des begrenzten Flächenangebots im Stadtgebiet von Jena, kann eine regionale erneuerbare Energieerzeugung nur in Kooperation mit dem Umland erfolgen. Darüber hinaus gibt es weitere klimarelevante Schnittstellen, die für das Ziel Klimaneutralität berücksichtigt werden müssen (z. B. Mobilität und Pendlersituation).“ „Die Maßnahme zielt darauf ab, eine notwendige Kooperation […] zu verdeutlichen. Dies ist als Querschnittsaufgabe in allen relevanten Themengebieten zu sehen. Im Umland werden Erneuerbare-Energien-Anlagen realisiert, deren Strom dann zum Beispiel für ein regionales Ökostromangebot in der Stadt genutzt werden kann. Im Gegenzug unterstützt die Stadt Jena das Umland durch Anreize und Vergünstigungen […]“ (S.31) Ziel ist es also, eine Win-Win-Situation herzustellen, in der sowohl die Stadt als auch das Umland von der Zusammenarbeit profitieren und sich anhand der unterschiedlichen Bedingungen und Bedürfnissen ergänzen können.

#11: Tempo-Reduzierung im Straßenverkehr

Temporeduzierung

Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität

Im Individualverkehr wird viel CO2 emittiert, dies muss reduziert werden: „Eine wirksame Maßnahme dazu ist die Durchsetzung von Temporeduzierungen. Instrumente wie die Einführung von temporeduzierten Bereichen (z. B. Tempo-30-Zonen) sind in Jena bereits gängige Praxis. Es gilt, im Rahmen dieser Maßnahme weitere Zonen der Stadt im Hinblick auf Temporeduzierung und Verkehrsberuhigung zu identifizieren und umzusetzen.“ (S. 86) Der KAP begründet, dass Temporeduktion neben dem geringeren Schadstoffausstoß auch in anderer Hinsicht die Lebensqualität verbessert: „Temporeduzierungen und Verkehrsberuhigungen wirken sich nicht nur reduzierend auf Treibhausgas-, sondern auch auf Lärmemissionen aus.“ (S. 86) Weitere Nebeneffekte: Weniger gefährliche Verkehrssituationen – auch für alle nicht autofahrenden Verkehrsteilnehmenden; eine angenehmere Aufenthaltssituation im Straßenbereich – und ein Anreiz mehr, auf andere Verkehrsarten umzusteigen!

#12: Bessere Anbindung an Regional- und Fernverkehr

Anbindung an Regional- und Fernverkehr

Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität

Mit dem Auto nach Jena zu pendeln ist für viele Menschen nötig, aber für das Verkehrssystem der Stadt wie auch für die Klimabilanz nicht zuträglich. Um hier möglichst vielen Menschen den Umstieg auf die Schiene zu ermöglichen, soll Jena besser an Regional- und Fernverkehr angebunden werden: „Bezogen auf den Regionalverkehr erfordert das eine engere Taktung auf den wichtigen Nord-Süd- (Naumburg-Saalfeld) und Ost-West-Verbindungen (Weimar-Hermsdorf), auch an den Wochenenden und in den Nachtstunden.“ (S. 91) Auch im Fernverkehr und für regionale und Fernbuslinien solle sich die Stadt um einen besseren Anschluss bemühen. Wichtiges Stichwort hierbei: Vertaktung – also möglichst aufeinander abgestimmte Ankunfts- und Abfahrtszeiten im Nah- und Regional/Fernverkehr, damit die sogenannten „intermodalen Wegketten“, gestaffelte Fahrten mit verschiedenen Verkehrsmitteln, durch wegfallende Wartezeiten verkürzt und somit attraktiver werden.

#13: Förderung regionaler Produkte und Dienstleistungen

regionale Erzeugnisse und Dienstleistungen

Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweisen

Gemüse aus Spanien, Äpfel aus Neuseeland? Warum nicht aus Dornburg oder Thalbürgel? Es gehört zu den Absurditäten unserer Zeit, dass unsere Produkte mehr von der Welt sehen als wir. Per LKW und Flugzeug kommt ein großer Teil unseres Essens von fern her, statt auf den umliegenden Äckern zu wachsen. Die niedrigen Transportkosten machen es möglich – nicht einbezogen sind aber die Kosten der Folgeschäden für das Weltklima. Dann geht die Rechnung nämlich schon lange nicht mehr auf. Der KAP meint hierzu: „Wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen und klimafreundlichen Lebensweise ist es, Produkte zu konsumieren (und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen), die regional erzeugt (bzw. angeboten) werden. Insbesondere im Bereich der Lebensmittelproduktion gibt es hier viele Ansatzpunkte […].“ (S. 123) Die Stadt könne hierzu z. B. die Standgebühren von regional-ökologischen Anbieter:innen reduzieren und Direktvermarktung fördern. „Zeitgleich ist es wichtig, lokale Dienstleistungen zu fördern/bevorzugen, um die heimische Wirtschaft zu stärken, aber natürlich auch, um lange Fahrtwege zu vermeiden. […] Eine sinnvolle Ergänzung können zudem finanzielle Anreize sein, z. B. durch Gutscheine für regional/ökologisches Einkaufen […] oder durch ein regionales Klimaschutz-Gutscheinbuch […].“

#14: Förderung von Stadtgrün und Aufenthaltsqualität

Klimaanpassung - Stadtgrün fördern

Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweisen

Hier gehen Klimaschutz und -Anpassung an die folgen steigender Temperaturen Hand in Hand: Grünflächen in der Stadt tragen signifikant zur Abkühlung bei. Sie verdunsten Wasser und spenden Schatten, was dem (gerade in Jena starken) Wärmeinseleffekt im städtischen Raum entgegenwirkt. „Dies umfasst nicht nur ästhetische Aspekte in der Stadtgestaltung, sondern hat mit der Entsiegelung von Flächen auch gesundheitliche, klimarelevante und lebensqualitative Einflüsse.“ (S. 125) Explizit soll die Pflege städtischer Grünflächen durch reduziertes Mähen und Förderung der Biodiversität angepasst werden. Die Maßnahme zur Steigerung der Wohn- und Aufenthaltsqualität geht über diese direkten Effekte noch deutlich hinaus und nennt unter anderem eine Reihe an Maßnahmen, um die Stadtteile abseits des Zentrums attraktiver zu machen (und in der Folge das Pendeln in die Stadt zu reduzieren): „Förderung der stadtteilbezogenen Arbeit von Initiativen, […] Unterstützung/Schaffung von Angeboten wie Stadtteil- und Reparaturcafés, Vernetzungsmöglichkeiten, Gemeinschaftsräumen, Selbsthilfegruppen; Sicherung wichtiger Dienstleistungen im Quartier (Waren des täglichen Bedarfs, Arztpraxen, Pflegedienst, Apotheke, Kitas, Schulen); Schaffung von Gemeinschaftsflächen: Spielflächen, Bewegungsräume, Quartiersgärten“ (S. 130)

#15: Monitoring-Konzept zur Überprüfung der Umsetzung

Monitoring und Anpassung

Themenfeld: Strategische Maßnahmen

Alle Ziele helfen nichts, wenn niemand sie umsetzt! Darum ist im Klima-Aktionsplan ein jährliches Monitoring vorgesehen, also die Überprüfung, dass die Zwischenziele erreicht werden. „Ferner müssen, ähnlich wie im Bundes-Klima-schutzgesetz (KSG), Prüfkriterien erarbeitet werden, die greifen, sobald die im Klima-Aktionsplan formulierten Ziele verfehlt werden. […] Dabei ist ein sektorales Monitoring auf Grundlage der im Klimaaktionsplan ausgewiesenen Etappenziele (2025, 2030) anzustreben.“ (S. 19) Werden Ziele in einem Bereich verfehlt, „muss innerhalb einer festgesetzten Frist von wenigen Monaten ein Sofortprogramm vorgelegt werden, um das Umsetzungs-defizit zu beseitigen.“ Hier wird also eine Rückkopplung eingebaut, die sicherstellt, dass wir auf dem richtigen Weg bleiben, nämlich Richtung Klimaneutralität 2035! Wer alle weiteren Maßnahmen und Hintergründe nachlesen will, kann dies hier tun.

Das Klimanotstands-Zentrum Jena berichtet...

Dienstag, 24. Mai 2022

Seit das Klimanetz Jena mit seiner Arbeit begann, haben sich viele Klimagruppen in Jena gegründet. Es bedurfte dazu erst den Aufschrei der Jugend, aber seitdem ist die Klimabewegung nicht mehr aufzuhalten. Deshalb schaffen wir es hier in diesem Blog gar nicht mehr, über alles zu berichten.

Eine neuere Initiative - das Klimanotstands-Zentrum Jena - begann jetzt, ihre Arbeit zu veröffentlichen. Wir empfehlen vor allem die jeweils Aktuellen Berichte

Klimanotstandszentrum Jena

Redebeitrag bei der Demonstration vor dem Stadtrat

Dienstag, 24. Mai 2022

Ich spreche im Auftrag der Parents for Future und der Scientists for Future Jena – Dank für die Einladung.

  • Am 4. Mai war für Deutschland der Overshoot-Day:
    • Deutschland hatte an diesem Tag, so viele Ressourcen verbraucht, wie der Planet das ganze Jahr für unser Land hergeben kann, ohne Schaden zu nehmen – wir leben also für den Rest dieses Jahres auf Pump.
  • Kürzlich meldete die NASA, dass die Erderwärmung dreimal so schnell voranschreitet, wie bisher erwartet.
  • Die Meteorologen teilten vor einigen Tagen mit, dass es bereits vor 2025 zu einer zeitweiligen Überschreitung der mittleren globalen Jahres-Temperatur von 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau kommen kann.

Vielleicht haben Sie diese Meldungen registriert. Vielleicht waren sie aber auch zwischen den Meldungen zum Ukraine-Krieg für Sie gar nicht richtig wahrnehmbar.

Die Erderwärmung, also der Klimawandel – besser die Klimakrise – ist heute der sprichwörtliche Elefant im öffentlichen Raum: Das Phänomen ist in seiner Dringlichkeit unübersehbar, doch alle tun so, als wäre es nicht da.

  • In Indien war es eine Woche lang fast 50 Grad heiß,
  • In Sibirien brennen die Wälder und es taut der Permafrostboden auf
  • Am Amazonas werden die Wälder im Rekordtempo abgeholzt

Das alles bestimmt die Schlagzeilen bei uns nicht. Unsere täglichen Gespräche drehen sich um ganz andere Dinge.

Es sieht nicht gut aus, sagt der Elefant im Raum.

Im Umgang mit der Klimakrise agieren wir nach wie vor entsprechend unserer gewohnten, vertrauten Denkmuster: Da gibt es ein Problem. Und da gibt es ein Gegenüber. Und mit dem verhandeln wir über die Lösung des Problems. Und wir werden einen Kompromiss finden.

Die Klimakrise funktioniert aber völlig anders.

Es gibt kein Gegenüber, mit dem man Kompromisse aushandeln könnte. Es gibt niemand, mit dem man über ein Ende der Erderwärmung verhandeln könnte. Naturgesetze kennen keine Kompromisse.

Es gibt nur uns alle. Und das, was wir gemeinsam tun müssen, richtet sich gegen Dinge, die uns selbstverständlich und liebgeworden sind. Wir müssen unser Leben ändern. Wir müssen die Art und Weise, wie wir wirtschaften und wie wir leben grundlegend ändern.

Leider sind wir jedoch weit entfernt davon, das zu tun. Die Treibhausgas-Emissionen sind höher als je zuvor.

Gleichzeitig ist aber die Notwendigkeit der Änderung unserer Art zu wirtschaften und zu leben dringlicher als je zuvor.

Anfang April dieses Jahres gab es den 6. Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe 3 des Weltklimarates.

Diesen Bericht haben Hunderte Wissenschaftler:innen auf der Grundlage Tausender Forschungsarbeiten über Jahre zusammengetragen.

Ich zitiere mal etwas verkürzt aus dem aktuellen Bericht:

Alle globalen Modellpfade, die die Erwärmung [ohne oder mit begrenzter Überschreitung] auf 1,5°C begrenzen (>50 %), und diejenigen, die die Erwärmung auf 2 °C begrenzen (>67 %), erfordern rasche und tiefgreifende und in den meisten Fällen sofortige Senkungen der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren.“

Das ist nicht ganz einfach verständliche Politik-Sprache. Ich versuche deshalb mal, das etwas anders zu formulieren. Aus meiner Sicht ergeben sich folgende Kernaussagen aus dem aktuellen Bericht:

Erstens
Angesichts der heute bereits erkennbaren Auswirkungen auf unser Leben ist selbst die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad nichts Gutes. Selbst, wenn es uns gelingt, dieses Ziel einzuhalten, wird es massive Auswirkungen auf unser Leben auch in Deutschland und in Jena haben.

Und mit jedem Zehntelgrad mehr werden die Auswirkungen schlimmer werden.

Und trotzdem versuchen die Regierungen dieser Welt im Moment nicht ernsthaft, die Erderwärmung auf diesen Wert zu begrenzen. Egal auf welcher Verantwortungsebene.

Zweitens
Um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten und auch nur irgendwo in der Nähe von 1,5 Grad zu bleiben, müssen wir unsere Emissionen bis 2030, also in den nächsten siebeneinhalb Jahren massiv reduzieren. Inzwischen reicht das aber schon nicht mehr. Es ist bereits notwendig, den CO2-Gehalt der Atmosphäre aktiv zu verringern, also in der Vergangenheit emittiertes CO2 mit Climate Engineering Verfahren wieder aus der Atmosphäre zurück zu holen. Anders geht es bereits nicht mehr.

Drittens
Der 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates benennt erstmals konkrete Maßnahmen, mit denen die weitere Erderwärmung gestoppt werden kann:

Viele der Maßnahmen kommen uns bekannt vor:

  • weniger Autos, weniger Flugreisen, weniger Fleisch
  • Weniger Energie- und Ressourcenverbrauch
  • keine schädlichen Subventionen

· Keine neue fossile Infrastruktur bauen – selbst das was heute gerade gebaut oder geplant wird, zum Beispiel im Straßenbau, ist nicht mit dem Klimaziel vereinbar

Und damit wir uns richtig verstehen: Es geht bei dem Klimaziel am Ende nicht um irgendwelche abstrakten Temperaturwerte, die eingehalten werden sollen. Es geht darum, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten.

Wie gesagt, die Maßnahmen sind für viele vermutlich nichts Neues. Was aber offenbar gesellschaftlich noch nicht begriffen ist: Es braucht diese Maßnahmen JETZT.

In den verbleibenden siebeneinhalb Jahren bis 2030 müssen wesentliche Teile dieser Maßnahmen umgesetzt sein. Wir alle müssen spätestens 2030 sehr viel anders leben als heute.

Viertens
Der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarates ist der letzte, der einen gangbaren Weg aus der Klimakrise aufzeigen kann. Das Zeitfenster zum Handeln schließt sich zusehends. Die Autor:innen machen unmissverständlich klar: Ernsthafte Klimaschutzmaßnahmen müssen dieses Jahr anfangen, nicht nächstes Jahr. Diesen Monat, nicht nächsten. Heute, nicht morgen.

Für Städte, wie zum Beispiel auch Jena werden im Bericht konkrete Maßnahmen benannt, so unter anderem:

  • eine effiziente Verbesserung, Umwidmung oder Nachrüstung des Gebäudebestands, gezielte Nachverdichtung – eine Wärmewende
  • eine konsequente Förderung des nicht motorisierten Verkehrs und öffentlicher Verkehrsmittel
  • eine Umstellung auf emissionsarme Technologien
  • energieeffiziente Infrastrukturen und Dienstleistungen
  • eine auf den Menschen ausgerichtete Stadtgestaltung

Jena hat diesbezüglich bereits erste Schritte begonnen. So hat im September 2019 der Jenaer Stadtrat einen Beschluss mit dem Titel „Der Klimakrise mit höchster Priorität begegnen“ gefasst. Im vergangenen Jahr wurde auf Druck des Klimaentscheids Jena durch den Stadtrat beschlossen, dass Jena klimaneutral bis 2035 sein soll. Dazu wurde die Erarbeitung eines Klimaaktionsplans in Auftrag gegeben, der momentan in Arbeit ist.

An dessen Ausgestaltung ist aber nicht nur die damit beauftragte Firma beteiligt, sondern im Aktionsbündnis Klima und Umwelt nehmen viele Jenaer Klima-Akteure, allen voran der Klimaentscheid, der Klimaschutzbeirat und der Runde Tisch Klima und Umwelt darauf Einfluss. Ich gehe davon aus, dass im Herbst dieses Jahres dieser Klimaaktionsplan vom Stadtrat beschlossen wird.

Wir haben damit dann eine Möglichkeit in der Hand, um Ausreden der politisch Verantwortlichen zweifelsfrei offenzulegen.

Jede politische und wirtschaftliche Entscheidung wird daraufhin geprüft werden müssen, ob sie mit den Klimazielen vereinbar ist. Das wird nicht einfach. Aber alles andere hilft nichts.

Zum Abschluss sei mir noch eine grundsätzliche Bemerkung gestattet. Ich befasse mich seit vielen Jahren gemeinsam mit anderen Menschen mit Fragen, welche die Zukunft der Menschheit betreffen.

Vor Kurzem fand ich in einem Beitrag von Deutschlandfunk Kultur einen Gedanken dazu, den ich hier teilen möchte:

„Wir Menschen brauchen Zukunft, um leben zu können – und zwar gerade, weil wir sterblich sind. Wir können das Wissen um unsere Sterblichkeit nur ertragen, wenn wir uns eine symbolische Unsterblichkeit erschaffen. Zum Beispiel in der Gewissheit, dass das Leben weitergehen wird, wenn wir tot sind, insbesondere das Leben unserer Kinder. Dass genau das infrage steht, ertragen wir nicht.“

Letztlich ist das für mich ganz persönlich sowohl Hoffnung als auch Antrieb zum Handeln.

Als Vater und Großvater bei den Parents for Future und als Physiker bei den Scientists for Future unterstütze ich und unterstützen wir gemeinsam Euch als Fridays for Future bei der Gestaltung Eurer Zukunft.

Danke für die Aufmerksamkeit.

Ein Klimanotstands-Zentrum für Jena!

Freitag, 15. Oktober 2021

 Seit einiger Zeit treffen sich Beteiligte aus unterschiedlichen Klimabewegungen in Jena, um darüber zu diskutieren, wie sie einen ständigen Ort der Arbeit und Begegnung für Klimabewegte und Bürger:innen schaffen könnten.

Wir fühlen uns verbunden mit den auch in anderen Ländern entstehenden Climate Emergency Centres.

Wer uns unterstützen möchte, bzw. direkt bei uns mitmachen möchte, melde sich bitte unter folgender Mailadresse:


Zur Website des Klimanotstands-Zentrum Jenas geht es hier.




"Ein Klimanotstands-Zentrum für Jena!" vollständig lesen

Neuer IPCC-Bericht

Donnerstag, 12. August 2021

Nicht so viel Neues, das aber alles verändern müsste.

Nicht so viel Neues, das aber alles verändern müsste.Covid-19 hat die Herausgabe des ersten Teils des neuen IPCC-Berichtes um einige Monate verzögert - gerade so lange, dass sie zusammenfällt mit den unübersehbaren, wohl bisher schlimmsten gleichzeitigen, großräumigsten und heftigsten Folgen des Klima-Umbruchs. Während im Fernsehen die Pressekonferenz über diesen Bericht läuft, laufen in den Eilmeldungen darunter weiter die Nachrichten über die Hitze- und Feuerkatastrophen in den Mittelmeerländern und Amerika sowie die Aufräumarbeiten und die unermesslichen Schäden der Unwetter in Westdeutschland.


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