Das Klimanotstands-Zentrum Jena berichtet...

Dienstag, 24. Mai 2022

Seit das Klimanetz Jena mit seiner Arbeit begann, haben sich viele Klimagruppen in Jena gegründet. Es bedurfte dazu erst den Aufschrei der Jugend, aber seitdem ist die Klimabewegung nicht mehr aufzuhalten. Deshalb schaffen wir es hier in diesem Blog gar nicht mehr, über alles zu berichten.

Eine neuere Initiative - das Klimanotstands-Zentrum Jena - begann jetzt, ihre Arbeit zu veröffentlichen. Wir empfehlen vor allem die jeweils Aktuellen Berichte

Klimanotstandszentrum Jena

Redebeitrag bei der Demonstration vor dem Stadtrat

Dienstag, 24. Mai 2022

Ich spreche im Auftrag der Parents for Future und der Scientists for Future Jena – Dank für die Einladung.

  • Am 4. Mai war für Deutschland der Overshoot-Day:
    • Deutschland hatte an diesem Tag, so viele Ressourcen verbraucht, wie der Planet das ganze Jahr für unser Land hergeben kann, ohne Schaden zu nehmen – wir leben also für den Rest dieses Jahres auf Pump.
  • Kürzlich meldete die NASA, dass die Erderwärmung dreimal so schnell voranschreitet, wie bisher erwartet.
  • Die Meteorologen teilten vor einigen Tagen mit, dass es bereits vor 2025 zu einer zeitweiligen Überschreitung der mittleren globalen Jahres-Temperatur von 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau kommen kann.

Vielleicht haben Sie diese Meldungen registriert. Vielleicht waren sie aber auch zwischen den Meldungen zum Ukraine-Krieg für Sie gar nicht richtig wahrnehmbar.

Die Erderwärmung, also der Klimawandel – besser die Klimakrise – ist heute der sprichwörtliche Elefant im öffentlichen Raum: Das Phänomen ist in seiner Dringlichkeit unübersehbar, doch alle tun so, als wäre es nicht da.

  • In Indien war es eine Woche lang fast 50 Grad heiß,
  • In Sibirien brennen die Wälder und es taut der Permafrostboden auf
  • Am Amazonas werden die Wälder im Rekordtempo abgeholzt

Das alles bestimmt die Schlagzeilen bei uns nicht. Unsere täglichen Gespräche drehen sich um ganz andere Dinge.

Es sieht nicht gut aus, sagt der Elefant im Raum.

Im Umgang mit der Klimakrise agieren wir nach wie vor entsprechend unserer gewohnten, vertrauten Denkmuster: Da gibt es ein Problem. Und da gibt es ein Gegenüber. Und mit dem verhandeln wir über die Lösung des Problems. Und wir werden einen Kompromiss finden.

Die Klimakrise funktioniert aber völlig anders.

Es gibt kein Gegenüber, mit dem man Kompromisse aushandeln könnte. Es gibt niemand, mit dem man über ein Ende der Erderwärmung verhandeln könnte. Naturgesetze kennen keine Kompromisse.

Es gibt nur uns alle. Und das, was wir gemeinsam tun müssen, richtet sich gegen Dinge, die uns selbstverständlich und liebgeworden sind. Wir müssen unser Leben ändern. Wir müssen die Art und Weise, wie wir wirtschaften und wie wir leben grundlegend ändern.

Leider sind wir jedoch weit entfernt davon, das zu tun. Die Treibhausgas-Emissionen sind höher als je zuvor.

Gleichzeitig ist aber die Notwendigkeit der Änderung unserer Art zu wirtschaften und zu leben dringlicher als je zuvor.

Anfang April dieses Jahres gab es den 6. Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe 3 des Weltklimarates.

Diesen Bericht haben Hunderte Wissenschaftler:innen auf der Grundlage Tausender Forschungsarbeiten über Jahre zusammengetragen.

Ich zitiere mal etwas verkürzt aus dem aktuellen Bericht:

Alle globalen Modellpfade, die die Erwärmung [ohne oder mit begrenzter Überschreitung] auf 1,5°C begrenzen (>50 %), und diejenigen, die die Erwärmung auf 2 °C begrenzen (>67 %), erfordern rasche und tiefgreifende und in den meisten Fällen sofortige Senkungen der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren.“

Das ist nicht ganz einfach verständliche Politik-Sprache. Ich versuche deshalb mal, das etwas anders zu formulieren. Aus meiner Sicht ergeben sich folgende Kernaussagen aus dem aktuellen Bericht:

Erstens
Angesichts der heute bereits erkennbaren Auswirkungen auf unser Leben ist selbst die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad nichts Gutes. Selbst, wenn es uns gelingt, dieses Ziel einzuhalten, wird es massive Auswirkungen auf unser Leben auch in Deutschland und in Jena haben.

Und mit jedem Zehntelgrad mehr werden die Auswirkungen schlimmer werden.

Und trotzdem versuchen die Regierungen dieser Welt im Moment nicht ernsthaft, die Erderwärmung auf diesen Wert zu begrenzen. Egal auf welcher Verantwortungsebene.

Zweitens
Um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten und auch nur irgendwo in der Nähe von 1,5 Grad zu bleiben, müssen wir unsere Emissionen bis 2030, also in den nächsten siebeneinhalb Jahren massiv reduzieren. Inzwischen reicht das aber schon nicht mehr. Es ist bereits notwendig, den CO2-Gehalt der Atmosphäre aktiv zu verringern, also in der Vergangenheit emittiertes CO2 mit Climate Engineering Verfahren wieder aus der Atmosphäre zurück zu holen. Anders geht es bereits nicht mehr.

Drittens
Der 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates benennt erstmals konkrete Maßnahmen, mit denen die weitere Erderwärmung gestoppt werden kann:

Viele der Maßnahmen kommen uns bekannt vor:

  • weniger Autos, weniger Flugreisen, weniger Fleisch
  • Weniger Energie- und Ressourcenverbrauch
  • keine schädlichen Subventionen

· Keine neue fossile Infrastruktur bauen – selbst das was heute gerade gebaut oder geplant wird, zum Beispiel im Straßenbau, ist nicht mit dem Klimaziel vereinbar

Und damit wir uns richtig verstehen: Es geht bei dem Klimaziel am Ende nicht um irgendwelche abstrakten Temperaturwerte, die eingehalten werden sollen. Es geht darum, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten.

Wie gesagt, die Maßnahmen sind für viele vermutlich nichts Neues. Was aber offenbar gesellschaftlich noch nicht begriffen ist: Es braucht diese Maßnahmen JETZT.

In den verbleibenden siebeneinhalb Jahren bis 2030 müssen wesentliche Teile dieser Maßnahmen umgesetzt sein. Wir alle müssen spätestens 2030 sehr viel anders leben als heute.

Viertens
Der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarates ist der letzte, der einen gangbaren Weg aus der Klimakrise aufzeigen kann. Das Zeitfenster zum Handeln schließt sich zusehends. Die Autor:innen machen unmissverständlich klar: Ernsthafte Klimaschutzmaßnahmen müssen dieses Jahr anfangen, nicht nächstes Jahr. Diesen Monat, nicht nächsten. Heute, nicht morgen.

Für Städte, wie zum Beispiel auch Jena werden im Bericht konkrete Maßnahmen benannt, so unter anderem:

  • eine effiziente Verbesserung, Umwidmung oder Nachrüstung des Gebäudebestands, gezielte Nachverdichtung – eine Wärmewende
  • eine konsequente Förderung des nicht motorisierten Verkehrs und öffentlicher Verkehrsmittel
  • eine Umstellung auf emissionsarme Technologien
  • energieeffiziente Infrastrukturen und Dienstleistungen
  • eine auf den Menschen ausgerichtete Stadtgestaltung

Jena hat diesbezüglich bereits erste Schritte begonnen. So hat im September 2019 der Jenaer Stadtrat einen Beschluss mit dem Titel „Der Klimakrise mit höchster Priorität begegnen“ gefasst. Im vergangenen Jahr wurde auf Druck des Klimaentscheids Jena durch den Stadtrat beschlossen, dass Jena klimaneutral bis 2035 sein soll. Dazu wurde die Erarbeitung eines Klimaaktionsplans in Auftrag gegeben, der momentan in Arbeit ist.

An dessen Ausgestaltung ist aber nicht nur die damit beauftragte Firma beteiligt, sondern im Aktionsbündnis Klima und Umwelt nehmen viele Jenaer Klima-Akteure, allen voran der Klimaentscheid, der Klimaschutzbeirat und der Runde Tisch Klima und Umwelt darauf Einfluss. Ich gehe davon aus, dass im Herbst dieses Jahres dieser Klimaaktionsplan vom Stadtrat beschlossen wird.

Wir haben damit dann eine Möglichkeit in der Hand, um Ausreden der politisch Verantwortlichen zweifelsfrei offenzulegen.

Jede politische und wirtschaftliche Entscheidung wird daraufhin geprüft werden müssen, ob sie mit den Klimazielen vereinbar ist. Das wird nicht einfach. Aber alles andere hilft nichts.

Zum Abschluss sei mir noch eine grundsätzliche Bemerkung gestattet. Ich befasse mich seit vielen Jahren gemeinsam mit anderen Menschen mit Fragen, welche die Zukunft der Menschheit betreffen.

Vor Kurzem fand ich in einem Beitrag von Deutschlandfunk Kultur einen Gedanken dazu, den ich hier teilen möchte:

„Wir Menschen brauchen Zukunft, um leben zu können – und zwar gerade, weil wir sterblich sind. Wir können das Wissen um unsere Sterblichkeit nur ertragen, wenn wir uns eine symbolische Unsterblichkeit erschaffen. Zum Beispiel in der Gewissheit, dass das Leben weitergehen wird, wenn wir tot sind, insbesondere das Leben unserer Kinder. Dass genau das infrage steht, ertragen wir nicht.“

Letztlich ist das für mich ganz persönlich sowohl Hoffnung als auch Antrieb zum Handeln.

Als Vater und Großvater bei den Parents for Future und als Physiker bei den Scientists for Future unterstütze ich und unterstützen wir gemeinsam Euch als Fridays for Future bei der Gestaltung Eurer Zukunft.

Danke für die Aufmerksamkeit.

Umwelttag 2022 in Jena

Sonntag, 15. Mai 2022

Am Sonnabend, 14. Mai fand nach zwei Jahren Corona-Pause wieder der Jenaer Umwelttag statt. Die Zukunftswerkstatt beteiligte sich im Rahmen eines gemeinsamen Standes mit dem Klimanetz Jena und Umgebung, dem Klimanotstandszentrum und dem Runden Tisch Klima und Umwelt Jena. In Kooperation mit „Health for Future“ wurde unter anderem über den Problemkreis Klimawandel und Gesundheitsschutz bei zunehmender Hitzebelastung informiert und mit welchen geeigneten Maßnahmen man sich schützen kann.

Klimanotstandszentrum und Klimanetz Jena und Umgebung auf dem Umwelttag Jena 2022

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