Ich spreche
im Auftrag der Parents for Future und der Scientists for Future Jena – Dank für
die Einladung.
- Am 4. Mai war für Deutschland der Overshoot-Day:
- Deutschland hatte an diesem Tag, so viele Ressourcen verbraucht, wie der Planet
das ganze Jahr für unser Land hergeben kann, ohne Schaden zu nehmen – wir leben
also für den Rest dieses Jahres auf Pump.
- Kürzlich
meldete die NASA, dass die Erderwärmung dreimal so schnell voranschreitet, wie
bisher erwartet.
- Die
Meteorologen teilten vor einigen Tagen mit, dass es bereits vor 2025 zu einer
zeitweiligen Überschreitung der mittleren globalen Jahres-Temperatur von 1,5 Grad
gegenüber dem vorindustriellen Niveau kommen kann.
Vielleicht
haben Sie diese Meldungen registriert. Vielleicht waren sie aber auch zwischen
den Meldungen zum Ukraine-Krieg für Sie gar nicht richtig wahrnehmbar.
Die
Erderwärmung, also der Klimawandel – besser die Klimakrise – ist heute der
sprichwörtliche Elefant im öffentlichen Raum: Das Phänomen ist in seiner Dringlichkeit
unübersehbar, doch alle tun so, als
wäre es nicht da.
- In
Indien war es eine Woche lang fast 50 Grad heiß,
- In
Sibirien brennen die Wälder und es taut der Permafrostboden auf
- Am
Amazonas werden die Wälder im Rekordtempo abgeholzt
Das alles
bestimmt die Schlagzeilen bei uns nicht.
Unsere täglichen Gespräche drehen
sich um ganz andere Dinge.
Es sieht
nicht gut aus, sagt der Elefant im Raum.
Im Umgang
mit der Klimakrise agieren wir nach wie vor entsprechend unserer gewohnten,
vertrauten Denkmuster: Da gibt es ein Problem. Und da gibt es ein Gegenüber.
Und mit dem verhandeln wir über die Lösung des Problems. Und wir werden einen
Kompromiss finden.
Die Klimakrise
funktioniert aber völlig anders.
Es gibt kein
Gegenüber, mit dem man Kompromisse aushandeln könnte. Es gibt niemand, mit dem
man über ein Ende der Erderwärmung verhandeln könnte. Naturgesetze kennen keine
Kompromisse.
Es gibt nur uns alle. Und das, was wir gemeinsam tun müssen, richtet sich gegen Dinge,
die uns selbstverständlich und liebgeworden sind. Wir müssen unser Leben ändern.
Wir müssen die Art und Weise, wie wir wirtschaften und wie wir leben grundlegend ändern.
Leider sind wir jedoch weit entfernt davon,
das zu tun. Die Treibhausgas-Emissionen sind höher als je zuvor.
Gleichzeitig ist aber die Notwendigkeit der Änderung unserer Art zu wirtschaften
und zu leben dringlicher als je
zuvor.
Anfang April
dieses Jahres gab es den 6. Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe 3 des
Weltklimarates.
Diesen
Bericht haben Hunderte Wissenschaftler:innen auf der Grundlage Tausender
Forschungsarbeiten über Jahre zusammengetragen.
Ich zitiere mal
etwas verkürzt aus dem aktuellen Bericht:
„Alle globalen Modellpfade, die die Erwärmung [ohne oder mit begrenzter Überschreitung]
auf 1,5°C begrenzen (>50 %),
und diejenigen, die die Erwärmung auf 2
°C begrenzen (>67 %), erfordern rasche und tiefgreifende
und in den meisten Fällen sofortige
Senkungen der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren.“
Das ist nicht
ganz einfach verständliche Politik-Sprache. Ich versuche deshalb mal, das etwas
anders zu formulieren. Aus meiner Sicht ergeben sich folgende Kernaussagen aus
dem aktuellen Bericht:
Erstens
Angesichts der heute bereits erkennbaren Auswirkungen auf unser Leben ist selbst
die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad nichts Gutes. Selbst, wenn es uns gelingt, dieses Ziel
einzuhalten, wird es massive Auswirkungen auf unser Leben auch in Deutschland
und in Jena haben.
Und mit
jedem Zehntelgrad mehr werden die Auswirkungen schlimmer werden.
Und trotzdem versuchen die Regierungen
dieser Welt im Moment nicht ernsthaft, die Erderwärmung auf diesen Wert zu
begrenzen. Egal auf welcher Verantwortungsebene.
Zweitens
Um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten und auch nur irgendwo in der
Nähe von 1,5 Grad zu bleiben, müssen wir unsere Emissionen bis 2030, also in
den nächsten siebeneinhalb Jahren
massiv reduzieren. Inzwischen reicht das aber schon nicht mehr. Es ist bereits notwendig,
den CO2-Gehalt der Atmosphäre aktiv zu verringern, also in der
Vergangenheit emittiertes CO2 mit Climate Engineering Verfahren
wieder aus der Atmosphäre zurück zu holen. Anders geht es bereits nicht mehr.
Drittens
Der 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates benennt erstmals konkrete
Maßnahmen, mit denen die weitere Erderwärmung gestoppt werden kann:
Viele der
Maßnahmen kommen uns bekannt vor:
- weniger
Autos, weniger Flugreisen, weniger Fleisch
- Weniger
Energie- und Ressourcenverbrauch
- keine
schädlichen Subventionen
· Keine
neue fossile Infrastruktur bauen – selbst das was heute gerade gebaut oder
geplant wird, zum Beispiel im Straßenbau, ist nicht mit dem Klimaziel vereinbar
Und damit
wir uns richtig verstehen: Es geht bei dem Klimaziel am Ende nicht um
irgendwelche abstrakten Temperaturwerte, die eingehalten werden sollen. Es geht darum, unsere Lebensgrundlagen zu
erhalten.
Wie gesagt,
die Maßnahmen sind für viele vermutlich nichts Neues. Was aber offenbar
gesellschaftlich noch nicht begriffen ist: Es
braucht diese Maßnahmen JETZT.
In den
verbleibenden siebeneinhalb Jahren bis 2030 müssen wesentliche Teile dieser
Maßnahmen umgesetzt sein. Wir alle müssen spätestens 2030 sehr viel anders
leben als heute.
Viertens
Der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarates ist der letzte, der einen
gangbaren Weg aus der Klimakrise aufzeigen kann. Das Zeitfenster zum Handeln
schließt sich zusehends. Die Autor:innen machen unmissverständlich klar:
Ernsthafte Klimaschutzmaßnahmen müssen dieses
Jahr anfangen, nicht nächstes Jahr.
Diesen Monat, nicht nächsten. Heute, nicht morgen.
Für Städte,
wie zum Beispiel auch Jena werden im Bericht konkrete Maßnahmen benannt, so unter
anderem:
- eine
effiziente Verbesserung, Umwidmung oder Nachrüstung des Gebäudebestands,
gezielte Nachverdichtung – eine Wärmewende
- eine
konsequente Förderung des nicht motorisierten Verkehrs und öffentlicher
Verkehrsmittel
- eine
Umstellung auf emissionsarme Technologien
- energieeffiziente
Infrastrukturen und Dienstleistungen
- eine
auf den Menschen ausgerichtete
Stadtgestaltung
Jena hat
diesbezüglich bereits erste Schritte begonnen. So hat im September 2019 der
Jenaer Stadtrat einen Beschluss mit dem Titel „Der Klimakrise mit höchster
Priorität begegnen“ gefasst. Im vergangenen Jahr wurde auf Druck des
Klimaentscheids Jena durch den Stadtrat beschlossen, dass Jena klimaneutral bis
2035 sein soll. Dazu wurde die Erarbeitung eines Klimaaktionsplans in Auftrag
gegeben, der momentan in Arbeit ist.
An dessen Ausgestaltung
ist aber nicht nur die damit beauftragte Firma beteiligt, sondern im
Aktionsbündnis Klima und Umwelt nehmen viele Jenaer Klima-Akteure, allen voran der
Klimaentscheid, der Klimaschutzbeirat und der Runde Tisch Klima und Umwelt
darauf Einfluss. Ich gehe davon aus, dass im Herbst dieses Jahres dieser
Klimaaktionsplan vom Stadtrat beschlossen wird.
Wir haben
damit dann eine Möglichkeit in der Hand, um Ausreden der politisch
Verantwortlichen zweifelsfrei offenzulegen.
Jede politische und wirtschaftliche
Entscheidung wird
daraufhin geprüft werden müssen, ob sie mit den Klimazielen vereinbar ist. Das
wird nicht einfach. Aber alles andere hilft nichts.
Zum
Abschluss sei mir noch eine grundsätzliche Bemerkung gestattet. Ich befasse
mich seit vielen Jahren gemeinsam mit anderen Menschen mit Fragen, welche die
Zukunft der Menschheit betreffen.
Vor Kurzem
fand ich in einem Beitrag von Deutschlandfunk Kultur einen Gedanken dazu, den
ich hier teilen möchte:
„Wir Menschen brauchen Zukunft, um
leben zu können – und zwar gerade, weil wir sterblich sind. Wir können das
Wissen um unsere Sterblichkeit nur ertragen, wenn wir uns eine symbolische
Unsterblichkeit erschaffen. Zum Beispiel in der Gewissheit, dass das Leben
weitergehen wird, wenn wir tot sind, insbesondere das Leben unserer Kinder.
Dass genau das infrage steht, ertragen wir nicht.“
Letztlich
ist das für mich ganz persönlich sowohl Hoffnung als auch Antrieb zum Handeln.
Als Vater
und Großvater bei den Parents for Future und als Physiker bei den Scientists
for Future unterstütze ich und unterstützen wir gemeinsam Euch als Fridays for Future bei der Gestaltung Eurer
Zukunft.
Danke für
die Aufmerksamkeit.