Prof.
Ekkehard Schleußner,
Redebeitrag
bei Fridays4Future-Demo am 26.07.2019 in Jena
Als ich vor 3 Wochen gefragt
wurde, konnte ich nicht ahnen, dass die letzten 3 Tage die heißesten je in
Deutschland gemessen waren – wie brisant das Thema also sein würde. Für Deutschland
wurde ein mittlerer Temperaturanstieg von 1°C innerhalb des letzten Jahrhunderts
registriert (Krug und Mücke, UMID 2/2018). Aber nicht nur das mittlere Temperaturniveau
nimmt zu, sondern auch Wärmeextreme treten in jüngerer Vergangenheit häufiger
auf (Fischer, Schär 2009; IPCC 2013). Es gibt bereits belastbare Hinweise darauf,
dass sich die maximale Lufttemperatur in Deutschland in Richtung extremer Hitze
verschieben wird (Deutschländer, Mächel 2017). Die klimatologischen Kenngröße dafür
sind „Heißer Tag" (Lufttemperatur-Maximum >30°) und Tropische Nacht Minimum-Temperatur
> = 20°.
Das Auftreten und die
Ausprägung extremer Hitze kann jedoch regional sehr verschieden sein, was
insbesondere von der geographischen Lage, der Topografie des Geländes, der Art
der Landnutzung und der Siedlungsform beeinflusst wird (Krug und Mücke 2018).
So sind die 42°C gestern in Lingen in Niedersachsen gemessen (@DWD_presse
26.07.19), in der jüngeren Vergangenheit Hitzeereignisse jedoch vermehrt in den
südwestlichen (Rhein-Main-Gebiet), aber auch in den östlichen Regionen
Deutschlands (Lausitz) beobachtet werden (DWD 2018).
Gestern waren in Jena 38,8°C.
Die Zahl der heißen Tage in Jena haben von etwa 14-15 Tagen im Stadtzentrum
zwischen 1971-2000 auf 18-19 Tage zwischen 1986-2015 zugenommen. Eigentlich
lautete die Prognose für die kommenden Jahre bis zu 21 d über 30°C. Aber
bereits 2018 traten 37 Hitzetage und 102 Sommertage (Temperatur < 25°C) in
Jena auf. (Meier M 2019,)
Wo werden wir 2019 landen?
Städte sind mehr betroffen als
der ländliche Bereich - in dicht bebauter Umgebung treten thermische Belastungssituationen
um den Faktor 3 häufiger auf als im Vergleich zu Freiflächen. Aufgrund der
Bausubstanz, dem erhöhten Versiegelungs- und dem reduzierten Vegetationsanteil sowie
einer verminderten Durchlüftung kühlt sich die Lufttemperatur nachts in Städten
schlechter ab als im Umland. Daher kann die nächtliche Minimaltemperatur
innerhalb einer dicht bebauten Stadt bis zu 10 Grad höher sein als im
unbebauten Umland (Fenner et al. 2014). Die Kombination aus witterungsbedingter
Hitze und dem Phänomen der „Urbanen Wärmeinsel" ist die Ursache für eine
verstärkte wärmebelastende Wirkung auf die Gesundheit der in der Stadt lebenden
Bevölkerung.
Während mehrerer
aufeinanderfolgender, mehrtägiger Hitzeereignisse, sogenannter „Hitzewellen“,
in den Sommern 2003 und 2010 verstarben in Europa jeweils mehr als 40.000
Menschen zusätzlich aufgrund der Auswirkungen von ungünstigen meteorologischen
Bedingungen (z.B. aufgrund extrem hoher Temperaturen). Allein in Deutschland
forderte die Hitzeperiode im Jahr 2003 etwa 7.000 Tote (Jendritzky G, Koppe C 2008)
sowie zahlreiche hitzebedingte Krankheitsfälle aufgrund von Dehydrierung,
Hitzschlag sowie Herz- und Kreislauferkrankungen. Schätzungen zufolge könnten
Ende dieses Jahrhunderts bundesweit jährlich bis zu 8.500 zusätzliche hitzebedingte
Todesfälle eintreten (UBA 2017)
Aber nicht nur die erhöhte
Zahl von Sterbefällen ist mit extremer Hitzebelastung assoziiert. Auch weitere
Gesundheitsindikatoren verdeutlichen die besondere Belastungssituation während
Hitzeereignissen, wie zum Beispiel eine nachweislich erhöhte Anzahl von
Rettungsdiensteinsätzen (Steul et al. 2018) oder vermehrte Krankenhauseinweisungen
(Scherber et al. 2014).
Die gesundheitliche Relevanz
von Hitze hängt nicht nur davon ab, ob ein als „Schwelle" gesetzter Lufttemperaturwert
erreicht beziehungsweise überschritten wurde, sondern vor allem über welchen
Zeitraum extreme Hitze andauert. Fenner et al. (2015) auf eine erhöhte
Mortalität für Ereignisse von mindestens drei Tagen Andauer hin. Eine Studie aus
Frankfurt analysierte Krankenhauseinweisungen per Rettungseinsatz während einer
fünftägigen Hitzeperiode Anfang Juli 2015 und zeigte unter anderem, dass die
Zahl der gesamten Krankenhausaufnahmen etwa 25 Prozent höher lag, als für
diesen Zeitraum zu erwarten war.
Ich habe nachgefragt – die
letzten 3 heißen Tage haben das für Jena noch nicht gezeigt, aber immerhin
wurden gestern knapp 10% Patienten mehr in der Jenaer Notaufnahme behandelt als
am Donnerstag der Woche davor. Der leitende Notarzt in Jena vom 25.7.19, Dr.
Jens Reichel, wies aber darauf hin, dass von den Rettungswageneinsätzen gestern
mehr als ein Drittel durch hitzebedingte gesundheitliche Komplikationen bedingt
waren.
Aber auch hitzeassoziierte
Erkrankungen nehmen während länger anhaltender Hitzeperioden deutlich zu, vor
allem bei bestimmten Risikopersonen bzw. risikogruppen
Vulnerable
Personengruppen sind (UBA 2017):
Ältere
Menschen: In der Regel liegt bei dieser Gruppe eine reduzierte
Fähigkeit des Körpers zur Hitzeregulation vor und das Durstgefühl nimmt mit
zunehmendem Alter ab.
Isoliert
lebende Menschen: Insbesondere bei isoliert lebenden älteren
Menschen ist das Risiko für gesundheitliche Hitzeauswirkungen groß, weil eine
soziale Kontrolle und Hilfsangebote fehlen.
Pflegebedürftige
Menschen: Bei diesen Personen
bestehen oft gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen, die deren
Handlungsmöglichkeiten stark einschränken. Ein zusätzliches Risiko kann durch
bestimmte Erkrankungen im Einzelfall vorliegen.
Personen
mit starkem Übergewicht: Sie
reagieren auf Hitzebelastungen besonders intensiv, weil der Organismus dann
neben der ohnehin bestehenden gesundheitlichen Grundbelastung einer weiteren
außergewöhnlichen Belastung ausgesetzt ist und z.B. das Herz-Kreislaufsystem
kaum Reserve-kapazitäten aufweist.
Menschen mit chronischen
Erkrankungen: Der Organismus dieser Menschen ist oft
aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht in dem Maße in der Lage, auf extreme
Situationen zu reagieren wie es bei Gesunden der Fall ist. Außerdem kommt es
bei chronischen Erkrankungen in extremen Situationen oftmals zu einer
Verschlechterung der Symptomatik.
Menschen
mit Demenz: Bei Menschen
mit Demenz liegt eine reduzierte Möglichkeit vor, auf extreme Situationen
adäquat zu reagieren. Insbesondere die Aufnahme von ausreichend Flüssigkeit ist
bei Menschen mit Demenzerkrankungen ohne Betreuung häufig nicht gewährleistet.
Menschen, die bestimmte
Medikamente einnehmen: Die
Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten (insb. Diuretika und
blutdrucksenkende Mittel) können bei Hitzeeinfluss verändert sein. In einigen
Fällen wird eine Anpassung der Medikation erforderlich sein, um Dekompensation
zu vermeiden.
Säuglinge und Kleinkinder: Hier besteht eine besondere Schutzbedürftigkeit, zum einen weil eine
besondere Empfindlichkeit besteht, aber auch weil hier eine ausgeprägte
Abhängigkeit von den Aufsichtspersonen gegeben ist.
Das heißt aber auch - Ihr – gesunde junge Erwachsene seit nicht
gefährdet, wenn ihr Euch vernünftig verhaltet.
Was heißt das aber:
-
Angemessen gekleidet sein (luftige Kleidung, die bei Sonnenexposition einen ausreichenden UV-Schutz gewährleistet)
-
Kopfbedeckung (Sonnenstich)
-
Möglichst wenig im Freien aufhalten, sondern eher in kühleren Innenräumen
-
Ausreichend trinken , aber keine kalten Getränke
-
Kein Alkohol, weil schon geringe Dosen viel stärkere Effekte haben
-
Meiden der städtischen Hitzeinseln, sondern raus aus der Stadt
-
Abkühlen durch Baden gehen ja,
-
Aber keine körperlichen Belastungen/Sport in praller Sonne / Mittagshitze
Das sind verhaltenspräventive Maßnahmen, die können von jeder einzelnen
Person geleistet werden
Daneben brauch es auch verhältnispräventiver Maßnahmen – das
sind Ansätze zur Vorbeugung hitze- und auch UV-bedingter gesundheitlicher Folgen,
um hitze- und UV-bedingten Erkrankungen und möglichen Todesfällen vorzubeugen. Verhältnispräventive
Ansätze zur Vorbeugung hitze- und UV-bedingter gesundheitlicher Folgen fehlen
derzeit noch fast vollständig, obwohl sie leicht umsetzbar wären. (UBA 2017)
Eine Mittel dazu sind
Hitzeaktionspläne, die zum Beispiel in Frankreich, der Schweiz und den
Niederlanden, bereits vor mehreren Jahren erfolgreich etabliert. Aktionspläne
zur Hitzeprävention gab es bislang in Deutschland jedoch noch nicht. Daher
wurden 2017 vom Umweltbundesamt als erster Schritt "Handlungsempfehlungen
für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit"
für Deutschland erarbeitet. Am 7. Mai 2019 hat die Thüringer Landesregierung ihren IMPAKT II
Maßnahmenpaket zum Klimawandel vorgelegt, indem auch eine Hitzeaktionsplan für
Thüringen vorgesehen ist.
Jena war da schneller – hat
zwar keinen Hitzeaktionsplan, aber mit dem Projekt JENKAS bereits in 2017
Hitzeanpassungsmaßnahmen an Jenaer Schulen und Kindergärten analysiert und
umgesetzt
So
ein Hitzeaktionsplan hat acht Kernelemente, die von der WHO empfohlen sind:
· Zentrale
Koordinierung und interdisziplinäre Zusammenarbeit
· Nutzung
eines Hitzewarnsystems
· Information
und Kommunikation
· Reduzierung
von Hitze in Innenräumen
· Besondere
Beachtung von Risikogruppen
· Vorbereitung
der Gesundheits- und Sozialsysteme
· Langfristige
Stadtplanung und Bauwesen
· Monitoring
und Evaluation der Maßnahmen
Was kann das konkret für die Stadtentwicklung Jena
bedeuten?
Langfristige
Stadtplanung und Bauwesen
langfristig
ausgerichtete Stadtplanung zur Reduzierung der Hitzebelastung im Bau-, Energie-
und Transportsektor.
Gebäudebezogene Maßnahmen:
Vorgaben entwickeln für den Hitzeschutz von Gebäuden (z.B.
Thermoglas, in Fenster integrierte Lamellenjalousien, Beschattung durch
Dachüberhänge, Verschattung von Dächern mittels Anlagen für solare
Energiegewinnung).
Technische
bauliche Maßnahmen wie
Belüftungstechnik, Wärme-/Kälte-tauscher, Raumventilatoren, evtl. auch Einsatz
von Klimaanlagen in besonders sensiblen Bereichen.
Hitzeadäquate
Gebäudeplanung bei Neubauten
(Berücksichtigung u.a. der Architektur, des Breiten-/Höhenverhältnisses, der
Bebauung entlang von Straßen sowie der Ausrichtung und Lage) im städtischen wie
auch im ländlichen Raum.
Trinkwasserspender in Gebäuden und im öffentlichen Raum
installieren.
Stadt- und bauplanerische
Maßnahmen:
Erhalt oder Schaffung von schattenspendenden Grünanlagen und Parks
bestenfalls mit kühlenden Verdunstungsflächen wie Wasserflächen oder -spielen.
Hitzereduktion durch Freihalten bzw.
Schaffen von Luftleitbahnen und
Kaltluftentstehungsgebieten.
Einrichten von großzügigen Schattenplätzen (baulich mittels
Pavillons, Außendächern, Markisen, feststehenden Sonnenschirmen oder
Sonnensegeln, grünplanerisch durch Neuanpflanzungen oder den Erhalt von
Baumbeständen mit dichten Blattkronen).
Einrichten von Befeuchtungsanlagen in Außenanlagen und für Terrassen.
Reduzierung
des Versiegelungsgrades
von offenen und öffentlichen Plätzen zur Vermeidung der Entstehung von hohen
Hitze- und UV-Belastungen aufgrund von Reflexion.
Förderung von Baum- und Buschpflanzungen
und Dachbegrünungen (hier auf
allergenarme und hitze-/trockentolerante Pflanzen achten).
Das wird eine Aufgabe des im
September vom Stadtrat zu beschließenden Klimaausschusses sein, auch einen
solchen Hitzeaktionsplan für die Stadt zu entwickeln, der solche
Verhältnispräventionsmaßnahmen konkret für Jena festhält
Literatur:
Deutschländer T. Mächel H
(2017): Temperatur inklusive Hitzewellen. In Brasseur GP, Jacob D.
Schuck-Zöller S (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland. Entwicklung, Folgen,
Risiken und Perspektiven. Springer Spektrum. Berlin Heidelberg: 47-56.
DWD – deutscher Wetter Dienst
Pressemeldungen https://www.dwd.de
Fenner D. Meier F, Scherer D
et al. (2014): Spatial and
temporal air temperature variability in Berlin, Germany. during the years
2001-2010. Urban Climate 10 (2): 308--331. 001: 10.1016/j.uclim.2014.02.004.
Fischer EM, Schär C (2009): Future changes in daily
summer temperature variability: driving processes and role for temperature
extremes. Climate Dynamics 33 (7-8): 917-935. 001:
10.1007/s00382-008-0473-8.
IPCC (2013): Climate Change 2013: The Physical Science
Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the
lntergovernmental Panel on Climate Change. Stocker TF, Qin D, Plattner GK et
al. (eds.): Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York.
NY,
USA
Jendritzky G, Koppe C (2008)
Die Auswirkungen von thermischen Belastungen auf die Mortalität. Warnsignal
Klima - Gesundheitsrisiken:149-153
Krug A, Mücke HG, Auswertung
Hitze-bezogener Indikatoren als Orientierung der gesundheitlichen Belastung
UMID 2/2018, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/4031/publikationen/uba_krug_muecke.pdf
Meier M 2019, Hitzevorsorge in
sozialen Einrichtungen – Jenaer Erfahrungen . Dez. Stadtentwicklung Jena https://difu.de/dokument/hitze-in-der-stadt-mit-kommunaler-klimavorsorge-fuer-mehr.html
Scherber K, Langner M, Endlicher W (2014): Spatial
analysis of hospital admissions for respiratory diseases during summer months
in Berlin taking bioclimatic and socio-economic aspects into account. Die
Erde 144 (3-4): 217-237. DOI:
10.12854/erde-144-16.
Steul KS, Latasch L, Jung HG
et al. (2018): Health Impact
of the Heatwave of 2015: Hospital Admissions in Frankfurt/Main, Germany. Gesundheitswesen
(80): 353-359.
UBA 2017 Umweltbundamt: Handlungsempfehlungen
für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen
Gesundheit Bundesgesundheitsblatt Mai 2017 DOI: 10.1007/s00103-017-2554-5)